SPD und Union planen eine Reform des Arbeitsgesetzes. Statt einer Fünf-Tage-Woche könnten Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten auch auf weniger Tage aufteilen.
Die angehende Regierungskoalition aus SPD und Union will die Arbeitszeiten in Deutschland reformieren. Statt an fünf Tagen zu arbeiten, sollen Arbeitnehmer ihre Zeiten auch weniger Tage aufteilen können. PD und Union planen eine Reform des Arbeitsgesetzes. Statt einer Fünf-Tage-Woche könnten Arbeitnehmende ihre Arbeitszeiten auch auf weniger Tage aufteilen. Experten und Wirtschaftsvertreter meinen, die Reform könnte Arbeitnehmern helfen, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren.
Feierabend oder Überstunden? Teilzeit oder 40-Stunden-Woche? In Deutschland gibt es bei beiden Fragen eine klare Tendenz. Denn seit Jahren nimmt die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden in der Bundesrepublik ab.
Gerade einmal 34,8 Stunden pro Woche arbeiten durchschnittliche Arbeitnehmer hierzulande – nur in drei anderen EU-Ländern sind es noch weniger. Auch deshalb attestieren Experten dem Standort ein Produktivitätsproblem.
Ein Lösungsvorschlag kommt nun aus der Politik. So plant die angehende Regierungskoalition aus SPD und Union gleich mehrere grundlegende Reformen im Arbeitsrecht: Zuschläge für Überstunden sollen etwa steuerfrei werden, wie aus dem Koalitionspapier, das die Parteien vor gut einer Woche veröffentlichten, hervorgeht. Und eine weitere zentrale Änderung bei der Arbeitszeit ist ebenfalls geplant: das Ende des Acht-Stunden-Tags.
Doch was bedeutet diese Änderung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Wir erklären, welche Folgen die neue Arbeitszeit-Regelung haben könnte.
Änderung der Arbeitszeit: Worum geht es genau?
Die Politik sucht nach Lösungen, mit denen sich die wöchentliche Arbeitszeit nach zehn Jahren des kontinuierlichen Rückgangs wieder nach oben bewegen lässt. Und die Parteien haben sich nun darauf geeinigt, „die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit“ einführen zu wollen. Gemeint ist eine Änderung im Arbeitsgesetz.
Denn das sieht aktuell noch einen Acht-Stunden-Tag als Regel vor. Die Koalitionäre wollen sich auf die EU-Arbeitszeitrichtlinie berufen, die die Umstellung der Rechtslage erlaubt.
Festgelegt ist dort zwar, dass in den Mitgliedstaaten – bis auf besondere Ausnahmen – eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden gilt, zu der auch Überstunden gezählt werden. Deutschland dürfte aber selbst entscheiden, wie die Aufteilung dieser Stunden funktioniert.
In der Praxis könnte das zum Beispiel bedeuten, dass sich eine 40-Stunden-Woche legal auch auf drei oder vier Tage verteilen ließe, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber das wollen.
Alles soll allerdings unter Einhaltung der „hohen Standards im Arbeitsschutz“ erfolgen, die auch EU-weit gelten. Sie besagen etwa, dass elf Stunden Ruhezeit pro Tag oder spezielle Regelungen für Nachtarbeit Pflicht sind.
„Missbrauch“ solle laut den Koalitionären zudem „ausgeschlossen“ und eine „praxisnahe Lösung“ zur „konkreten Ausgestaltung“ gefunden werden. Mehr Details erwähnt das Papier nicht.
Wird die Zeitregel zum Vorteil für Arbeitnehmer?
Möglicherweise, denn der Plan könnte dazu beitragen, dass die wöchentlichen Arbeitsstunden deutlich effizienter genutzt werden. Das wäre sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber vorteilhaft, wie Oliver Stettes, Arbeitsmarktexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sagt.
„Es geht bei dem Plan gerade nicht um eine Ausweitung der Arbeitszeiten“, so Stettes. „Der Gesetzgeber schafft lediglich einen größeren Handlungsspielraum, innerhalb dessen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Regelungen aushandeln können.“ Besonders bei Büroarbeiten dürfte sich das auszahlen, denn eine Vollzeit-Vier-Tage-Woche könne hier einfach umgesetzt werden, „ohne am Schutzniveau für Arbeitnehmer Abstriche zu machen“, so Stettes.
Martin Holderied, Referent für Arbeit und Soziales beim Bundesverband für mittelständische Wirtschaft (BVMW) sieht auch Vorteile für Handwerksbetriebe, die Event- und Startup-Branche: „Die Arbeitnehmer lassen sich unter der neuen Regelung besser dann einsetzen, wenn auch tatsächlich Arbeit ansteht.“
Ein weiterer Grund ist, dass das Vorhaben die Arbeit in Teilzeit weniger attraktiv machen dürfte. Davon geht etwa die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) aus. Laut BDA könne durch eine veränderte Regelung die „notwendige Flexibilität für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf entstehen, um Frauen in höherem Umfang in Erwerbstätigkeit zu holen.“
Die Teilzeitquote stieg in den vergangenen Jahren sukzessive an: 2024 arbeiteten laut Zahlen des Statistischen Bundesamts 50 Prozent der Frauen weniger als fünf Tage pro Woche – im Gegensatz zu 13 Prozent bei den Männern.
Holderied dazu: „Allein durch die flexiblere Arbeitszeitgestaltung können sich etwa Eltern mit Vollzeitjobs in Zukunft besser aufteilen. Das kann sich positiv auf das Haushaltseinkommen auswirken.“
Was sind die nächsten Schritte?
Schon 2022 diskutierte die Politik über eine mögliche Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit als Alternative zum Acht-Stunden-Tag. Die Ampel-Koalition brachte allerdings keinen passenden Gesetzentwurf auf den Weg.
Vor einem Jahr wurde im Bundestag zudem ein Unions-Antrag zu einer „Flexibilisierung der Arbeitszeit“ abgestimmt. Der Antrag scheiterte allerdings im Juni, weil außer CDU und CSU keine andere Partei dafür stimmte. Mit der SPD stehen die Erfolgsaussichten dieses Mal nun deutlich besser.
Experten rechnen deshalb damit, dass die Änderung zeitnah auf den Weg gebracht werden könnte. Erst dann können auch Arbeitnehmer mit ihren Chefs den Einsatz der neuen Arbeitszeit-Regelung vereinbaren.
Was sagt die Wirtschaft?
Bisher sind die Reaktionen noch verhalten. „Die Wochenarbeitszeit allein bringt noch keinen Optimismus“, sagt BVMW-Mann Holderied. Der Plan sei, wenn auch kein „Gamechanger“ allerdings ein „Schritt in die richtige Richtung“.
Für kleine und mittelständische Unternehmen sei eine andere Passage im Koalitionsvertrag sogar noch relevanter. Die steht nur wenige Zeilen von den Ausführungen zur neuen, flexibleren Arbeitszeit entfernt: die unbürokratische Arbeitszeiterfassung. Sie könne, sagt Holderied, ein noch größerer Beitrag für die Zukunft des Standorts sein.
Quelle
BUSINESS INSIDER (DEUTSCHLAND)
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4 Minuten
Veröffentlicht
vor 5 Tagen